
Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel bei der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde der Wehrmacht
Der 8. Mai 1945 ist ein Tag von historischer Bedeutung für Europa und die Welt. Mit der Kapitulation der Wehrmacht wurde der Krieg hier in Europa beendet. Heute, 80 Jahre danach, ist dieser Tag weder ein offizieller Feier- oder Gedenktag, wie zum Beispiel der Tag der Deutschen Einheit. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass immer noch darüber gestritten wird, auf welche Weise man diesen Tag interpretieren soll: Wer wurde von wem befreit? Wieso gibt es Menschen, die der Niederlage der Nationalsozialisten hinterhertrauern? War dieser Tag die „Stunde Null“ und damit ein Neuanfang oder hat man es rückblickend nicht geschafft, sich von den Ideologien und den Folgen des Nazi – Regimes zu distanzieren?
Richard von Weizsäcker, Bundespräsident außer Dienst, hat es vor genau 40 Jahren so formuliert:
„Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerungen an das, was Menschen erleiden mussten. Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens über den Gang unserer Geschichte. Je ehrlicher wir ihn begehen, desto freier sind wir, uns seinen Folgen verantwortlich zu stellen.
Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen, die ihn bewusst erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft. Viele waren einfach nur dafür dankbar, dass Bombennächte und Angst vorüber und sie mit dem Leben davongekommen waren. Andere empfanden Schmerz über die vollständige Niederlage des eigenen Vaterlandes. Verbittert standen Deutsche vor zerrissenen Illusionen, dankbar andere Deutsche für den geschenkten neuen Anfang.“
Darüber hinaus ist klar, wer von wem befreit wurde: nicht die Deutschen wurden von den Nationalsozialisten befreit, sondern alle noch lebenden Juden in und außerhalb der Konzentrationslager, politisch Andersdenkende, Cinti und Roma, Homosexuelle und Personen mit Behinderungen sind an diesem Tag aus der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten befreit worden. Jedoch kam die Hilfe der Alliierten für viele leider zu spät. Zehntausende Gefangene sind in den letzten Kriegsmonaten durch Todesmärsche von den Konzentrationslagern aus umgekommen oder wurden auf direkten Befehl aus Berlin hingerichtet.
Im Zusammenhang mit dem Kriegsende wird der Begriff „Stunde Null“ oft benutzt. Man sah den Sieg über die Nationalsozialisten als die Chance eines Neuanfangs an und wollte ein demokratisches Land aufbauen. So trugen die Alliierten nicht nur zur „Entnazifizierung“ bei, sondern organisierten auch die sogenannten „Nürnberger Prozesse“, bei welchen 24 Hauptkriegsverbrecher der NSDAP vor einem internationalen Militärgerichtshof angeklagt wurden. Trotzdem wurden nur 19 von ihnen verurteilt, andere Führungsspitzen wie Joseph Goebbels haben sich und ihre Familie vor dem Kriegsende ermordet, um einer Verurteilung zu entgehen. Viele ranghohe Politiker wurden erst gar nicht angeklagt und arbeiteten in der Bundesrepublik sogar wieder als Politiker. Außerdem war es offensichtlich, dass man die Geschichte des dritten Reiches nicht einfach so hinter sich lassen konnte, sie würde für immer ein Teil der Deutschen Geschichte sein. Deswegen war das Kriegsende, die „Stunde Null“, nicht der komplette Neuanfang.
Heutzutage bereitet die politische Aktivität der AfD vielen Menschen Sorge. Mit ihren polarisierenden Aussagen und der Einstufung des Verfassungsschutzes als „gesichert rechtsextrem“ stellt sie eine große Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung dar.
Besonders besorgniserregend ist zudem, dass sich laut einer MEMO – Studie eine relative Mehrheit der Befragten erstmals einen erinnerungskulturellen Schlussstrich“ wünscht. Dies wäre fatal und ein großer Fehler. Obwohl wir keine Schuld für die Verbrechen der Nationalsozialisten tragen, müssen wir an diese erinnern, auch, wenn es vielen schwierig erscheinen mag. Es liegt an uns, dass sich die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten nicht wiederholen kann. Es liegt an uns, rechtsextremen Tendenzen Einhalt zu gebieten. Es liegt an uns, unsere Zukunft zu schützen. Nicht nur für jetzt, sondern für immer.
Maxim Ostermann, EF